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Scheinselbstständigkeit vermeiden als Freelancer: So geht’s

Erfahre hier, wie du als Freelancer eine Scheinselbstständigkeit mit rechtlichen Problemen für dich und deine Auftraggeber verhindern kannst.

Dunja Reiber
Dunja Reiber

Mär 04, 2022

Für Freelancer ist es wichtig, eine Scheinselbstständigkeit zu vermeiden, um keine rechtlichen und finanziellen Konsequenzen für sich selbst oder die Auftraggeber befürchten zu müssen. Wir erklären dir, was Scheinselbstständigkeit ist, an welchen Anzeichen du sie erkennst und wie du sie verhinderst.

Scheinselbstständigkeit: Definition und Konsequenzen

Der Begriff Scheinselbstständigkeit beschreibt einen Freelancer oder Freiberufler, der selbstständig ist, aber (fast) ausschließlich für einen Auftraggeber arbeitet und wie ein Angestellter behandelt wird. Das Problem bei dieser Situation ist: Der Freelancer erfüllt nicht die Kriterien einer Selbstständigkeit (unternehmerisches Risiko, Flexibilität etc.), profitiert aber auch nicht von den Vorteilen einer Festanstellung, zum Beispiel Kündigungsschutz, bezahlter Urlaub oder Entgeltfortzahlung bei Krankheit. Der Auftraggeber zahlt für ihn auch keine Sozialversicherungsbeiträge, etwa für Renten- und Krankenversicherung.

Diese Konstellation entspricht nicht den Prinzipien des Sozialstaats und wird deshalb ebenso verfolgt wie Schwarzarbeit. Kontrollen können zum Beispiel durch die Deutsche Rentenversicherung, durch das Finanzamt oder eine Krankenversicherung erfolgen. Wird eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, muss der Auftraggeber Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen, und zwar für bis zu mehrere Jahre. Beide Seiten müssen außerdem Lohnsteuer nachzahlen und es kommt zu einer komplizierten Rückabwicklung der gezahlten Umsatzsteuer. Wird ein vorsätzliches Verhalten angenommen, kann sogar eine Straftat vorliegen und der Auftraggeber muss mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe rechnen.

Als Freelancer sind die Folgen der Scheinselbstständigkeit weniger schwerwiegend, aber auch unangenehm und kompliziert. Du kannst in einem solchen Fall zum Arbeitnehmer werden und diesen Status unter Umständen auch einklagen. Die Frage ist natürlich, ob du das überhaupt willst. Denn wahrscheinlich hast du dich ja bewusst für eine Freelancer-Tätigkeit entschieden und möchtest gar nicht angestellt sein. Auch für dich als Freelancer oder Freiberufler ist es also sinnvoll, eine Scheinselbstständigkeit zu vermeiden.

Woran erkenne ich Scheinselbstständigkeit?

Bei der Beurteilung wird immer der Einzelfall betrachtet, es gibt also keine allgemeingültige Liste von Kriterien für eine Scheinselbstständigkeit. Das Risiko ist hoch, wenn du von einem Auftraggeber abhängig bist, weisungsgebunden arbeitest, in interne Prozesse eingebunden bist und nicht als Unternehmer auftrittst.

Die folgenden Anzeichen deuten auf eine Scheinselbstständigkeit hin. Es kommt aber auf das Gesamtbild an. Du musst also nicht unbedingt Angst haben, wenn einzelne Punkte auf dich zutreffen.

  • Du arbeitest dauerhaft in den Räumen des Auftraggebers und hast vielleicht auch einen eigenen Schlüssel.
  • Du nutzt das Equipment der Firma und nicht dein eigenes.
  • Deine Arbeitszeiten werden vom Kunden vorgegeben.
  • Du musst dich bei Krankheit abmelden und deinen Urlaub mit dem Team abstimmen.
  • Du erhältst Anweisungen, die über die üblichen Abstimmungen hinausgehen.
  • Deine Aufgaben unterscheiden sich nicht von denen der angestellten Mitarbeiter.
  • Du gehörst zu einem festen Team, das sonst nur aus Angestellten besteht.
  • Deine Beauftragung ist so umfangreich, dass du keine Zeit für andere Aufträge hast.
  • Du generierst über den Auftraggeber dauerhaft mehr als fünf Sechstel deines Umsatzes.
  • Du darfst keine weiteren Aufträge annehmen oder musst sie zuerst vom Kunden genehmigen lassen.
  • Dein Einsatz ist unbefristet und nicht projektbezogen.
  • Du hast eine Firmen-E-Mail-Adresse oder Visitenkarten, ohne dass dort dein externer Status erkennbar ist.
  • Du bist bei firmeninternen Meetings oder Veranstaltungen dabei, die nichts mit deinen Aufgaben zu tun haben.
  • Deine Bezahlung erfolgt nicht aufwandsbezogen, sondern du erhältst ein festes monatliches Gehalt.
  • Du trittst nicht als Unternehmer auf, hast keine eigene Website und trägst kein unternehmerisches Risiko.

Bei der Einschätzung kommt es immer auf die Praxis an. Es hilft also nicht, wenn du einen Vertrag unterschreibst, der diese Punkte ausschließt. Sobald es im Alltag anders aussieht, besteht das Risiko, dass du scheinselbstständig bist. Trotzdem ist ein Vertrag sinnvoll, weil er einen Rahmen vorgibt und du dich im Zweifel darauf berufen kannst.

Übrigens: Der Scheinselbstständigkeitstest von CodeControl und Hogan Lovells ermöglicht eine einfache und schnelle Einschätzung des Risikos für eine Scheinselbstständigkeit. Du kannst ihn selbst ausfüllen oder deinem Auftraggeber zukommen lassen. Außerdem findest du auf der Seite noch weitere Informationen zum Thema Scheinselbstständigkeit.

Wie können Freelancer Scheinselbstständigkeit vermeiden?

Im Umkehrschluss solltest du die oben genannten Dinge nach Möglichkeit vermeiden, wenn du eine Scheinselbstständigkeit verhindern willst. Achte darauf, dass du deine Arbeit selbstbestimmt erledigen kannst und möglichst wenig in die Prozesse deiner Auftraggeber eingebunden bist.

Wenn du dafür sorgst, dass die folgenden Aspekte bei dir gegeben sind, ist dein Risiko für Scheinselbstständigkeit sehr gering:

  • Mehrere Auftraggeber: Sorge dafür, dass du deinen Umsatz nicht dauerhaft nur über einen Auftraggeber generierst. Es ist okay, wenn du mehrere kurze Projekte hintereinander abarbeitest und dabei immer nur für einen Kunden auf einmal tätig bist. Aber falls du langfristig mit einem Kunden arbeitest, solltest du nicht mehr als fünf Sechstel des Umsatzes über ihn erzielen.
  • Eigene Räume und Betriebsmittel: Erledige deine Aufgaben regulär in deinem eigenen Arbeitszimmer beziehungsweise externen Büro oder an einem neutralen Ort wie einem Coworking Space. Hin und wieder kannst du auch bei deinem Auftraggeber arbeiten, das sollte aber nicht zur Gewohnheit werden. Außerdem solltest du dein eigenes Equipment nutzen.
  • Keine Integration in interne Prozesse: Organisiere dich selbstständig und lass dich nicht auf zu kleinteilige Abstimmungsprozesse ein. Plane deinen Urlaub unabhängig und nimm nicht regelmäßig an Meetings teil, die nichts mit deiner Arbeit zu tun haben. Lass dir keine interne E-Mail-Adresse geben und gestalte deine Arbeitszeiten nach deinen Bedürfnissen anstatt nach den Vorgaben des Kunden.
  • Auftreten als Unternehmer: Zeige, dass du ein unternehmerisches Risiko trägst und weitere Kunden gewinnen möchtest. Dazu gehört zum Beispiel eine eigene Website oder ein gut gepflegtes Social-Media-Profil sowie eigene Marketing-Aktivitäten.
Verlasse dich am besten nicht darauf, dass dein Auftraggeber das Thema auf dem Schirm hat und dafür sorgt, alles rechtssicher zu gestalten. Wenn du den Eindruck hast, dass du zu stark in die Prozesse integriert bist, oder andere Faktoren eine Scheinselbstständigkeit wahrscheinlich machen, sprich den Kunden besser darauf an und weise ihn auf die Risiken hin.

 

Dunja Reiber

Dunja Reiber ist als Texterin und Content-Marketing-Expertin auf Themen rund um New Work und Freelancing spezialisiert. Sie war in einer Content-Marketing-Agentur und einem Software-Start-up tätig, bevor sie zur Vollzeit-Freelancerin wurde.

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